Sport mit psychischen Beeinträchtigungen

Intro

Eine inzwischen häufig angewandte Therapie bei psychischen Beeinträchtigungen ist Sport. Durch regelmässige körperliche Aktivität können nicht nur negativen Folgen von Bewegungsmangel wie zum Beispiel Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erhöhter Blutdruck oder Diabetes, vorgebeugt werden. Ebenso kann sportliche Betätigung vor psychischen Störungen schützen oder als Begleittherapie in der Behandlung eingesetzt werden.

Bei Personen mit Depressionen kann Sport positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben. Das zeigt auch das folgende Video:

Kletterangebot für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

Basics

Behinderungsbild* - Bewegungen verstehen bei psychischen Beeinträchtigungen

* Im Zusammenhang mit psychischen Beeinträchtigungen spricht man eigentlich nicht von Behinderungen. Damit alle unsere Lernbausteine eine einheitliche Struktur haben, wurde dieser Begriff dennoch beibehalten.

Kreis mit fünf Kästchen, in jedem Kästchen befindet sich ein Körpersystem. Die Kästchen mit den Körpersystemen "psychisch-emotionales System" und "Wahrnehmungssystem" sind weiss ausgefüllt. Alle anderen Kästchen sind grau.
Betroffene Körpersysteme bei psychischen Beeinträchtigungen: psychisch-emotionales System und Wahrnehmungssystem.

Psychische Beeinträchtigungen sind sehr individuell und vielfältig. Der Einfluss derselben psychischen Beeinträchtigung auf das Verhalten kann zwischen zwei Personen ganz unterschiedlich ausfallen. Auch treten psychische Beeinträchtigungen selten alleine auf. In den allermeisten Fällen liegen zugleich zwei oder mehrere Störungen vor.

Zu den oft verbreiteten oder bekannten psychischen Beeinträchtigungen zählen in der Regel folgende (alphabetisch geordnet):

  • Affektive Störungen (Depressionen, Bipolare Störung, Manie)

  • Angststörungen

  • Persönlichkeitsstörungen

  • Sucht- oder substanzgebundene Störungen

  • Traumafolgestörungen

  • Zwangsstörungen

Die psychische Verfassung wird durch das Empfinden und Verhalten einer Person ausgedrückt. Menschen mit einer psychischen Störung denken, fühlen und handeln daher oftmals anders als in der Gesellschaft erwartet oder als normal angenommen wird.

Die Folgen im Sport können daher ebenfalls vielfältig sein und entstehen eher aus den aktuell vorliegenden Symptomen als aus der «Diagnose». Es heisst, dass bei derselben Diagnose unterschiedliche Symptome auftreten können. Demensprechend kann sich das von den Aussenstehenden wahrgenommene Verhalten unterscheiden.

Im Folgenden lernst du nun zwei psychische Beeinträchtigungen etwas näher kennen - Depression und Angststörung.

Depression

Sport mit einer leichten bis mittelschweren Depression

Die Depression gehört zu den sogenannten affektiven Störungen. Menschen mit einer Depression berichten über Antriebslosigkeit. Sie können unter einer inneren Leere, an negativen Gedanken und Emotionen (z.B. Gefühl der Wertlosigkeit) leiden. Oft führt dies zu einem grossen Abbau der sozialen Kontakte und Verlust des Interesses an vorher gerne ausgeführten Aktivitäten und Hobbies. Sich zu Bewegung oder zum Sport aufzuraffen kann zunehmend schwieriger werden.

Zugleich ist es erwiesen, dass Bewegung und Sport für Menschen mit Depression bei der Linderung der Symptome wirksam sind. Hierbei kann sportliche Aktivität helfen:

Fahre mit dem Mauszeiger über das Bild, um mögliche positive Effekte von Sport bei Depression zu entdecken.

Eine weitere Besonderheit dieser Zielgruppe kann das Überspielen des eigenen Zustandes sein. Der innerliche Zustand einer Person kann miserabel sein, aber nach Aussen wird versucht, dies mit Fröhlichkeit zu überspielen. Dies ist gewissermassen ein Schutzmechanismus.

Angststörungen

Angst ist eine natürliche und überlebenswichtige Emotion. Sie warnt uns vor Bedrohungen und Gefahren und leitet körperliche Veränderungen ein, um schnell auf Gefahren reagieren zu können. Von einer Angststörung spricht man dann, wenn Angstreaktionen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung oder ohne tatsächliche Gefahr bestehen bleiben. Dabei können Betroffene teilweise zwar erkennen, dass ihre Angst unangemessen oder unbegründet ist, können sie aber nicht kontrollieren. Meistens meiden Personen mit Angsterkrankungen bestimmte Situationen und ziehen sich nach und nach aus dem sozialen Leben zurück.

Tipp

Probiere der betroffenen Person in der akuten Phase die Angst nicht auszureden – für sie ist diese Angst momentan real. Eine Umarmung hilft manchmal mehr als tausend Worte. Schon einfach dabei zu sein, kann unterstützend wirken.

Bei den Angststörungen unterscheidet man zwei Formen. Klicke auf die Flipcards, um zu erfahren, welche dies sind. 

mit konkretem Auslöser

ohne konkreten Auslöser

Folgende körperliche Rektionen können bei Angsterkrankungen auftreten:

  • Herzklopfen, Herzrasen oder unregelmässiger Herzschlag
  • Schwitzen, Zittern oder Beben
  • Mundtrockenheit
  • Atemnot, Hyperventilation
  • Erstickungsgefühl, Enge im Hals
  • Schmerzen, Druck oder Enge in der Brust
  • Übelkeit oder Bauchbeschwerden inklusive Durchfall
  • Schwindel
  • Unsicherheit
  • Ohnmachts- oder Benommenheitsgefühle
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
  • Taubheits- oder Kribbelgefühle

Angstsymptome sind äusserst unangenehm für die Betroffenen, jedoch absolut ungefährlich!

Achtung

Es kann sein, dass gewisse körperliche Symptome beim Sport (z.B. Schwitzen, erhöhter Puls, schnellere Atmung) als Symptome der Angst fehlinterpretiert werden. Dies kann dazu führen, dass gewisse Aktivitäten vermieden werden. Sport kann also auch zu einer «Erstverschlimmerung» führen. Kläre deshalb deine Teilnehmenden bei Bedarf auf, dass dies «normale Symptome» körperlicher Aktivität sind und diese nicht auf eine Gefahr hindeuten. Dies kann zum Beispiel bei Panikattacken eine wertvolle Erkenntnis sein – der/die Betroffene erlebt zwar die gleichen Symptome, aber eine Panikattacke bleibt aus. So kann körperliche Aktivität zu einem erhöhten Kontrollerleben beitragen.

Warum Sport treiben bei psychischen Beeinträchtigungen?

Sport- und Bewegungstherapie wird heute in praktisch allen psychiatrisch-psychotherapeutischen Kliniken angewandt. Klicke dich durch die Flipcards, um die verschiedenen Gründe dafür kennenzulernen:

Strichmännchen hebt eine Hantel.

Körperliche Aspekte

Kopf mit zwei Puzzleteilen darin.

Psychologische Aspekte

Männlichen und weibliches Strichmännchen, dazwischen ein Pfeil in beide Richtungen.

soziale Aspekte

Prinzipien

Sportbild – Bewegungen ausführen mit psychischen Beeinträchtigungen

Psychische Beeinträchtigungen können sich auf verschiedene Bereiche der sportlichen Leistung auswirken. Fahre mit dem Mauszeiger über das Bild, um Auswirkungen von psychischen Beeinträchtigungen auf das Sportbild kennenzulernen.

Als Leiter:in eines Sportangebots für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen solltest du als Einstieg leicht zugängliche Bewegungsangebote wählen, die zum regelmässigen Training motivieren. Ausdauersportarten im Freien eignen sich dafür besonders gut. Dabei darfst du gerne die Beziehung zwischen Bewegung und der Umwelt thematisieren und erfahren lassen. Zum Beispiel kann es beim Laufen zu einem «Flow»-Moment kommen, bei dem alles fliesst.

Auch Mannschaftssportarten und Partnerübungen eignen sich, um die Motivation und die soziale Interaktion zu erhöhen. Personen mit Depression und Angsterkrankungen ziehen sich oft aus dem sozialen Umfeld zurück. Die sportliche Betätigung kann ihr Interesse an sozialen Kontakten wieder erhöhen. Biete den Sportler:innen aber auch Rückzugsmöglichkeiten an.

Achte darauf, dass die sportliche Aktivität im moderaten Bereich liegt, das heisst: leicht ausser Atem kommen, leicht Schwitzen und Pausen zwischen den Elementen oder Lektionsinhalten einbauen. In erster Linie sollte das Angebot Spass machen. Für diese Zielgruppe stehen Wettkampf und Leistung im Vergleich zu den gesundheits- und sozialisationsfördernden Aspekten kaum im Vordergrund. Orientiere dich an den Wünschen und Präferenzen deiner Gruppe.

Handlungsbild – Bewegungen lernen mit psychischen Störungen

Viele Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen haben einen verminderten Antrieb. Das heisst, sie haben Mühe sich für etwas zu Motivieren. Neben ihrer Gemütslage spielt auch die Umgebung, in der Bewegung und Sport stattfindet, eine wichtige Rolle. Der Weg in den Sport ist sehr individuell. Daher ist es wichtig, dass du auf die individuellen Bedürfnisse eingehst.

Eine aktive Mitbestimmung bei der Wahl der Ziele und der Inhalte kann die Stimmung und die Motivation erheblich verbessern. Das heisst, du kannst die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestimmen lassen, ob es ein Radfahr- oder Lauftraining gibt. Sie können auch das Anstrengungsniveau bestimmen.

Good Practice

Was heisst dies jetzt für dich als Leiter:in? Im nachfolgenden Karussell findest du ein paar nützliche Tipps.

Reflexion

Reflexionsfrage 1

Hast du Vorschläge, wie du Personen mit psychischen Störungen zur aktiven Mitbestimmung anregen könntest?

Plane bei deiner Lektionsvorbereitung eine Auswahl verschiedener Spiele ein und lasse die Gruppe auswählen.

Gib bestimmte Übungen vor, lasse jedoch die Sportlerinnen und Sportler die Intensität, Geschwindigkeit oder Dauer individuell wählen.

Plane Übungen ein, die wahlweise alleine oder in Kleingruppen absolviert werden können.

Quiz

Los geht's! Quiz starten und Wissen checken.

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Transfer

Überlege dir Antworten zu folgenden Fragen und notiere deine Überlegungen

  1. Versuche deine Aufgaben/deine Rolle zu beschreiben, wenn du Sportstunden mit Personen mit psychischen Störungen leitest.
  2. Für dein Training von nächster Woche hat sich eine Person mit psychischer Störung zum Schnuppern angemeldet. Wie gehst du darauf in der Trainingsvorbereitung ein?

Quiz

Löse die Quizaufgaben und überprüfe am Schluss deine Ergebnisse.