Mentale Fähigkeiten verbessern
"Ah this jump is so mental!"
Diesen Spruch hört man oft in der Parkour Community. Viele Sprünge fordern Parkourist/innen auch psychisch heraus.
In diesem Lernbaustein lernst du die Grundlagen des Trainings der Psyche für deinen Parkour Unterricht kennen. Dazu gehören drei Grundtechniken, die Kinder und Jugendliche erlernen können, um ihre mentalen Fähigkeiten zu verbessern.
Schaut euch den Ausschnitt (von Min. 3:27 bis 4:20) des folgenden Videos an, wobei an einem extremen Beispiel aufgezeigt wird, wie wichtig mentale Fähigkeiten im Parkour sind.
Dieses extreme Beispiel soll aufzeigen, dass bereits ein kleines Zögern unerwünschte Folgen nach sich ziehen kann. Natürlich handelt es sich hierbei aber um keinen Inhalt von J+S. Dennoch hängt die Sicherheit im Parkour stark von den psychischen Fähigkeiten, der mentalen Stärke der Athlet/innen ab. Trainiere daher mit deinen Kindern und Jugendlichen verschiedenen Techniken, damit sie auch in psychisch anspruchsvollen Situationen "den Kopf nicht verlieren" und sicher effizient agieren. Dieser Lernbaustein unterstützt dich dabei.
Mehr zum Thema Sicherheit findest du hier:
Merkblatt Unfallprävention Parkour
Was genau bedeutet eigentlich das Wort „Psyche“?
Im umgangssprachlichen Verständnis wird darunter das „Innenleben“ des Menschen, alles „Geistige“ – mit den Hauptbestandteilen Denken und Fühlen – verstanden. Bei jeder sportlichen Leistung sind physische Fertigkeiten untrennbar an psychische Fertigkeiten (Denkprozessen, emotionalen Vorgängen) gekoppelt.
In der körperlichen Entwicklung unterscheiden sich Kinder und Jugendliche offensichtlich stark. Bei der psychischen Entwicklung ist das ähnlich. Beachte deshalb die verschiedenen Altersstufen und berücksichtige die kognitiven Entwicklungsstadien deiner Teilnehmenden. Du kannst dich durch die folgenden Karten klicken uns so mehr über die psychischen Eigenschaften in den jeweiligen Entwicklungsstufen erfahren.

Kindheit
Alter 5-12 Jahre

Adoleszenz
Alter 12-20 Jahre

Frühes Erwachsenenalter
Alter 20-26
Weitere Informationen zum allgemeinen Thema Psyche findest du im Lernbaustein Psyche.
Bei der Auswahl der Trainingsmethode stellt sich immer die Frage: Was ist das Ziel? Was wollen wir konkret verbessern? Das Training der Psyche nimmt im Parkour einen zentralen Stellenwert ein. Wir trainieren oft draussen, in ungesichertem/sportfremden Gelände. Daher ist volle Konzentration während des Trainings absolut relevant. Auch müssen die Parkoursiten/innen die emotionale Regulation stets im Griff haben, über eine gute Selbsteinschätzung verfügen und ein starkes, adäquates Selbstvertrauen haben.
Nachfolgend werden drei Grundtechniken erklärt, mit denen du genau diese Faktoren trainieren kannst. Im Training der Psyche gilt dasselbe wie im Physistraining: Je mehr man übt, desto wirksamer der Effekt.
Viele Parkourathlet/innen setzen diese Technik ein, ohne sie jemals bewusst gelernt zu haben. Beim Visualisieren stellen sich die Parkourist/innen eine reale Situation oder eine Bewegung vor. Regelmässiges Visualisierens ermöglicht eine stets präzisere, klarere Vorstellung der Bewegung oder Situation. Dies optimiert die Abläufe und führt zu einer Steigerung der sportlichen Leistung.
Das Visualisieren beschränkt sich nicht auf die bildliche Vorstellung, alle Sinne des Körpers werden einbezogen. So entsteht eine innere mentale Wirklichkeit, die aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommen werden kann:

Überlasse den Parkourist/innen die Wahl der Perspektive. Animiere sie vor einem Sprung, sich vorzustellen, wie sie den Sprung ausführen und fordere sie auf, sich in diesen Prozess zu vertiefen, alle Sinne mit einzubeziehen und ein möglichst reales Bild von diesem Sprung in ihren Gedanken zu schaffen.
Ein Selbstgespräch ist ein innerer Dialog. Der Parkourist/in gibt sich selbst Handlungsanleitungen, Tipps und Tricks, welche sein Tun/seine Handlung in eine gewollte Richtung leiten. Gedanken beeinflussen einen Menschen sehr stark. Nebst der handlungsleitenden Funktion kannst du sie auch für die Motivation nutzen.

Positiv

Ich

Stärken

Lösung

Gegenwart oder Zukunft

Realistisch
Selbstgespräche sind gerade in Situationen wo Versagensängste aufkommen, nützlich. Durch den inneren Dialog schaffen es die Parkourist/innen, die negativen Denkprozesse zu stoppen. Leite deine Kinder und Jugendlichen an, regelmässig Selbstgespräche zu führen, um ihre Emotionen, ihre Performance positiv zu beeinflussen.
Nebst der Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe, hat die Atmung eine weitere grosse Aufgabe: Die Atmung ist ein wichtiges Steuerungselement für die menschlichen Erregungszustände. Das heisst, die Atmung beeinflusst deine Emotionen und umgekehrt. Bei Angst und Anspannung zum Beispiel erfolgt die Atmung flach und schnell. Bei Ruhe und Entspannung erfolgt sie langsam und tief. Daher lassen sich durch Veränderungen des Atemmusters die Emotionen beeinflussen.
Bei einer herausfordernden Challenge steigt die Ausschüttung von Stresshormonen. Der Erregungszustand des Körpers steigt. Durch gezieltes Atmen kann dies beeinflusst und ein Entspannungszustand angesteuert werden.
Was die Auswirkungen dieser gezielt hervorgerufenen Entspannung sind, siehst du hier:

Atmungstechniken sind also sinnvoll einsetzbar...
- zur psychischen und physischen Entspannung
- zur Ablenkung von Störungen und unangenehmen Gedanken
- zur Beruhigung nach einem Schreckerlebnis / Fail
- als Vorbereitung für die Durchführung anderer mentalen Techniken
Sei dir stets bewusst, dass das mentale Training sehr oft angewendet werden muss, damit es seine maximale Wirkung entfalten kann. Überlege dir dazu, auf welchen Wegen du die mentalen Trainingsprinzipen und mit welchen Methoden du diese auf den verschiedenen Entwicklungsstufen anwenden kannst. Wie bereits oben erwähnt, ist auch der Zeitpunkt wichtig, wann die Techniken angewendet werden. Beim Visualisieren zum Beispiel sollte man die Technik möglichst zeitnah zur realen Durchführung anwenden, denn der Körper bereitet sich direkt auf die Bewegungen vor. Natürlich können die Techniken aber auch ausserhalb des Parkourtrainings geübt werden.
Hier siehst du eine Übersicht, wie man die einzelnen mentalen Trainingsformen auf den verschiedenen Altersstufen anwenden kann:
Visualisieren:
5-9 Jahre - Vorübungen und spielerische Anleitung, da das logische und komplexe Denken noch ausgebildet wird
10-14 Jahre - Sportspezfische Übungen, das abstrakte Denken soll gefördert werden
15+ Jahre - Komplexe Übungen um das Visualisieren für spezifische Momente zu trainieren
Selbstgespräche:
5-9 Jahre - Spielerisch einbauen, ohne Hintergrundwissen zu vermitteln, die Kinder sollen sich selber motivieren können
10-14 Jahre - Sich der eigenen Selbstgespräche bewusst werden, negative in positive Gespräche umwandeln
15+ Jahre - Selbstgespräche in spezifischen Momenten anwenden und häufig trainieren, komplexe Übungen einbauen
Dieses Experiment muss unter klaren Vorweisungen durchgeführt werden. Persönliche Beleidigungen und Beschimpfungen gehören nicht zur Übung. Stellt sicher, dass die Person einverstanden ist mit der Aufgabe.
Atemregulation:
Die Atmung lässt sich in drei Phasen einteilen: Einatmen - Ausatmen - Pause.
Zur Entspannung atmest du in normalem Tempo tief ein und bewusst, etwas verlangsamt wieder aus. Lege dann eine kurze wahrnehmbare Pause ein, bevor du wieder mit einatmen beginnst. Für eine aktivierende Atmung betonst du die Einatmung.
5-9 Jahre - Kurze beruhigende Atemübungen, am Ende der Lektion, damit die Kinder lernen, durch die Atmung herunterzufahren
10-14 Jahre - Lernen, weshalb Atemübungen wichtig sind und wie man sie einsetzen kann. Beginnen praktische Atemübungen im Training einzusetzen
15+ Jahre - Schnelle Aktivierungs- oder Entspannungsübungen selbständig durchführen und einsetzen
In extremen Druck Situationen, wo auch ein hohes Risiko vorhanden ist, sind die mentalen Fähigkeiten entscheidend.
Überlege dir eine Situation, wo einer deiner Kinder oder Jugendlichen vor einer schwierigen Challenge stand.
Warum hat er/sie die Challenge geschafft bzw. nicht geschafft?
Mit was hatte er/sie zu kämpfen? Warum?
Gelang es ihr, sich zu fokussieren? Warum / warum nicht?
An welchen mentalen Fähigkeiten muss er/sie noch mehr arbeiten? Welche Techniken könnten ihm/ihr helfen?
Lass dich für deine langfristige Planung von folgenden Fragen leiten:
- In welchen Situationen haben deine Teilnehmenden Mühe mit ihren psychischen Fähigkeiten?
- Welche Ziele verfolgst du im Bereich des mentalen Trainings mit deiner Parkourgruppe?
- Wie könnte deine langfristige Planung für mentale Trainingsformen aussehen?
- Mache dir Gedanken, zu welchem Zeitpunkt du die Einheiten im Training einbaust.
Stelle dir folgende Fragen für die konkrete Trainingsplanung:
- Das letzte Mal als du eine Form der mentalen Techniken in deinem Unterricht angewendet hast, wie hast du es vermittelt? Was würdest du nun anders machen mit deinem neuen Wissen? Warum?
- Wähle eine der drei Techniken aus und bereite sie für das nächste Training vor. Welche Trainingsmethode hast du gewählt und wieso? Zu welchem Zeitpunkt planst du die Technik ein und wie leitest du sie an?
- Auf welche Voraussetzungen deiner Kinder achtest du, und wie passt du die gewählte mentale Trainingsform an? Welche Änderungsmöglichkeiten hast du, um die Trainingsform während des Unterrichts anzupassen?