Risikokompetenz beim Sportklettern indoor
Beim Sportklettern spielt die Sicherheit eine zentrale Rolle. Als risikokompetenter Leiter oder risikokompetente Leiterin weisst du, was in deiner Verantwortung liegt und was du dir selbst zutrauen kannst, ohne dich und deine Schützlinge zu gefährden. Du weisst auch, wann du eine Aktivität anpassen oder abbrechen musst und wann du Hilfe benötigst.
Im Folgenden bekommst du neben einer theoretischen Einführung in die Thematik eine Anleitung, wie du risikokompetent handelst.
Sieh dir zum Einstieg folgende Statements von Jugendlichen an. Sie erzählen dir, was der Leiter oder die Leiterin tut, um die Sicherheit zu erhöhen.
Von Gefahr spricht man, wenn eine Situation das Potenzial hat, Schaden anzurichten. Beim Sportklettern besteht zum Beispiel die Gefahr eines Bodensturzes. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bodensturz eintritt, wird als Risiko bezeichnet. Die Leiterin oder der Leiter kann mit Massnahmen die Wahrscheinlichkeit eines Bodensturzes senken. Zum Beispiel durch den methodisch korrekten Aufbau von Übungen, um das Sichern oder das Spotten zu lernen.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) definiert Risikokompetenz als Kombination von Gefahrenbewusstsein sowie Selbststeuerungsfähigkeit. Was sich hinter diesen beiden Begriffen verbirgt, findest du unten, indem du auf die Begriffe klickst.

Gefahrenbewusstsein

Selbststeuerungskompetenz
Wir gehen davon aus, dass dein Gefahrenbewusstsein sowie deine Selbststeuerungskompetenz mit deiner Erfahrung im Leiten zusammenhangen.
Erfahrung bekommst du durch eine kontinuierliche Reflexion deiner Erlebnisse beim Leiten von Sportkletteraktivitäten.
Somit bist du in der Planung deiner Aktivitäten und auch während der Aktivität in einem ständigen Reflexionsprozess. Du durchläufst immer wieder die folgenden Etappen einer kontinuierlichen Reflexionsschleife:
Hilfestellung beim vorausschauenden Planen und Reflektieren gibt dir das Planungstool «3x3 für J+S-Aktivitäten im Sportklettern indoor». Dieses findest du im J+S-Manual Sportklettern oder direkt im angehängten PDF.
Sei dir hierbei bewusst, dass du mit wenig Leitererfahrung mehr Zeit für Punkt 1 und 2 (Planung und vor Ort) investieren musst. Zum Beispiel solltest du deine geplante Aktivität vorher selbst einmal vor Ort ausprobiert haben, um die Sicherheit sowie die Bewegungszeit für deine Gruppe zu erhöhen. Und auch während der Aktivität kannst du dir mit vorher geplanten Pausen Zeit geben, um kurz in eine Reflexion zu gehen und die Planung, wenn nötig, anzupassen.
Im Folgenden siehst du eine gestellte Situation. Die Jugendlichen klettern schon seit einiger Zeit mit dir und du hast kürzlich das Klettern im Vorstieg an der Boulderwand eingeführt. Betrachte das Bild nun genauer.
Beschreibe, was du auf dem Bild siehst, neutral und ohne Wertung.

Sechs Jugendliche, zwei Kletterteams klettern, zwei Jungs stehen links im Bild am Boden. Eine Leiterin hintersichert ein Team und schaut Richtung Kletterin. Die beiden kletternden Personen befinden sich auf gleicher Höhe. Die Routen haben viele grosse Griffe. (nicht abschliessend)
Nun beurteile deine Wahrnehmung. Welche Gefahren erkennst du?
Kletterteams auf gleicher Höhe im ersten Sektor
Klippposition
Standort Sicherinnen
Körperposition Sicherin
Beinfalle
Klettergurt und Anseilknoten
fehlende Hintersicherung
Entscheide nun, wie du in dieser Situation vorgehst.
Den Jungen klippen lassen und das Mädchen verbal auf die Beinfalle hinweisen. Dann verbal die Gruppe stoppen und die kletternden Personen abklettern lassen. Die Situation debriefen und mit der Gruppe erarbeiten, welche Ursachen möglicherweise zu diesem Ergebnis geführt haben. Danach lässt du deine Gruppe eine kurze Pause machen und überlegst für dich, welcher Schritt nun der sinnvollste ist. Je nach Konzentrationsniveau der Gruppe sowie deines eigenen Zustands entscheidest du, ob du weiter an der Kompetenz des Kletterns im Vorstieg arbeiten kannst oder besser an der Boulderwand ein Spiel machst.
Nehmen wir einmal an, du handelst richtig und kannst die Situation entschärfen. Nach dem Training zu Hause machst du dir Gedanken darüber, wie das Training lief. In gewissen Momenten warst du richtig im Stress, vor allem als es zu dieser prekären Situation im Vorstieg kam.
Du überlegst, wie du das Training nächstes Mal gestaltest, sodass es gar nicht erst zu einer solchen gefährlichen Situation kommt und du weniger Stress empfindest. Du nimmst das 3x3 sowie die Punkte zur Leiterverantwortung aus dem J+S-Manual Sportklettern zur Hand. Wähle aus, worauf du bei einem nächsten Mal ganz besonders achten musst.
Fragen aus dem 3x3:
Welches sind meine Fähigkeiten und Kompetenzen als verantwortliche Leiterin oder verantwortlicher Leiter Sportklettern?
Stimmt der methodische Aufbau? Wie führe ich die Teilnehmenden schrittweise an eine schwierige Übung heran?
Habe ich einen Plan B, falls meine Planung nicht funktioniert?
Leiterverantwortung:
Das Planen der methodischen Reihe «Trockenübungen, mit Hintersicherung, Sicherungstraining mit Hintersicherung» je nach Altersstufe und aktueller Sicherungskompetenz über einen längeren Zeitraum.
Im Folgenden siehst du noch eine zweite Situation. Diesmal an der Boulderwand. Du hast das Spiel «Katz und Maus» mit der Organisationsform «in Zweier-Teams» erklärt und zeigst nun den Teilnehmenden, wo sie das Spiel durchführen können. Die Gruppe ist motiviert und unruhig, sie wollen endlich loslegen.
Beschreibe, was du auf dem Bild siehst, neutral und ohne Wertung.

Fünf Kinder, ein Leiter. Ein Kind klettert und ein zweites steht mit erhobenen Armen darunter. Der Leiter zeigt in eine Richtung, der Blick von vier Kindern folgt der Richtung. Das kletternde Kind hat eine Expressschlinge an beiden Schuhen befestigt.
Nun beurteile deine Wahrnehmung. Welche Gefahren erkennst du?
falsches Spotten, Füsse mit Exe verbunden, Leiter abgelenkt
Entscheide nun, wie du in dieser Situation vorgehst.
Verbal dem spottenden Kind sagen, dass es weiter weg von der Wand stehen soll und den drei wartenden Kindern, dass sie dableiben sollen. Physisch das spottende Kind in eine sichere Zone begleiten und dem Jungen sagen, dass er Abklettern soll. Danach lässt du alle Kinder an der Boulderwand klettern. Du erklärst während sie klettern, dass nun alle Mäuse sind und nicht von der Katze gehört werden wollen. Du als Leiter oder Leiterin spielst die Katze.
Nehmen wir einmal an, du handelst richtig und kannst die Situation entschärfen. Nach dem Training zu Hause machst du dir Gedanken darüber, wie das Training lief. In gewissen Momenten warst du richtig im Stress, vor allem in der Situation an der Boulderwand, als alle Kinder spielen wollten und du gefühlt keine Zeit hattest, das Spiel richtig zu erklären. Da warst du zudem herausgefordert, weil du ein Kind weniger hattest als geplant.
Du überlegst, wie du das Training nächstes Mal gestaltest, sodass es gar nicht erst zu einer solchen gefährlichen Situation kommt und du weniger Stress empfindest. Du nimmst das 3x3 sowie die Punkte zur Leiterverantwortung aus dem J+S-Manual zur Hand. Wähle aus, worauf du bei einem nächsten Mal ganz besonders achten musst.
Fragen aus dem 3x3:
Welches sind meine Fähigkeiten und Kompetenzen als verantwortliche Leiterin oder verantwortlicher Leiter Sportklettern?
Stimmt der methodische Aufbau?
Habe ich einen Plan B, falls meine Planung nicht funktioniert?
Inwieweit deckt sich die Realität mit meiner Planung?
Wie ist die Tagesform der Kinder und Jugendlichen?
Leiterverantwortung:
das Erklären von Aufgaben über mehrere Sinne (auditiv, visuell, taktil), das Reflektieren der eigenen Kommunikation
Durch eine regelmässige Selbstreflexion stärkst du deine Risikokompetenz. Sei dir dabei bewusst, dass du immer deinen blinden Fleck übersiehst. Reichere daher von Zeit zu Zeit deine Reflexion an, indem du dir von aussen Feedback holst, z.B. direkt von deiner Gruppe. Aber auch andere J+S-Leiterinnen und -Leiter oder J+S-Expertinnen und -Experten können dir Feedback geben, z.B. während eines Weiterbildungsmoduls.