Lernprinzipien für vielseitige Trainings

Intro

«Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.» (Konfuzius, 551-479 v. Chr.)

Bekanntlich ist jeder Mensch ein Individuum und so einzigartig wie wir sind, so unterschiedlich lernen wir auch neue Sachen. Grundsätzlich kann man jede Person einem Lerntyp zuordnen, aber am Ende ist Lernen ein individueller und einzigartiger Prozess. Du als Leiterperson kannst den Lernprozess bei deinen Athletinnen und Athleten unterstützen, wenn du weisst wie sie «ticken».

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass du die verschiedenen Lerntypen kennst, weisst wie Lernen funktioniert und wie du dein Training nach guten Lernprinzipien gestalten kannst. Ziel dieses Lernbausteins ist, dass du die verschiedenen Lerntypen in deiner Trainingsgruppe identifizieren kannst und du erkennst welche Anpassungen du in deinem Training vornimmst, um die Lernprinzipien anzuwenden.

Basics

Bewegungen lernen und lehren – eine komplexe Aufgabe

  • Wie nur schafft es Angelika Moser mit Hilfe eines eine Latte auf 4.75 Meter zu überqueren?
  • Wie kann Jason Joseph in 13.05 Sekunden zehn Hürden auf einer Höhe von 1.0668 Metern laufen?
  • Weshalb ist es möglich, dass Stefan Wieland eine 7.257 Kilogramm Kugel auf 19.21 Meter stösst?

Sie alle haben über mehrere Jahre hinweg vielfältige Bewegungsmuster für ihre Disziplin erlernt. Angelika kann die Aufrolltechnik im Stabhochsprung, Jason den Hürdensitz mit dem abgespreizten Nachziehbein und Stefan beherrscht die Drehstosstechnik. Doch wie lernt man diese Bewegungen?

Bewegungen zu lernen ist eine komplexe Aufgabe, denn es handelt sich immer um ein Zusammenspiel von Wahrnehmungsfähigkeit (Sensorik) und um Bewegungssteuerungsfähigkeit (Motorik). Dieses Zusammenspiel wird als sensomotorisches System bezeichnet.

Sensorik

Beim Bewegungslernen greifen wir auf bestehende Bewegungsmuster zurück, passen diese an und verbessern und verknüpfen sie. Deshalb ist es wichtig vielseitige Erfahrungen über verschiedene Sinneskanäle zu erleben. Die Entwicklung der Sinne hat für die eigene Lernfähigkeit eine grosse Bedeutung, sie ist eine Voraussetzung für das Lernen von Bewegungsabläufen und lässt uns die Koordination von Bewegungen verbessern.

Unsere Sinnesorgane vermitteln unserer Steuerungszentrale, dem zentralen Nervensystem, die benötigten Informationen, um Bewegungen zu planen und zu kontrollieren. Die Sensorik ist unter anderem zuständig für unsere Körperhaltung. Die wichtigsten Wahrnehmungssysteme sind:

Symbol: Auge

Symbol: Ohr

Symbol: Fussgelenk

Symbol: Hand

Symbol: Eine Waage im Gleichgewicht

Motorik

Das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark, verarbeitet die enorm grosse Datenflut aus dem Sinnessystem. Die Aufgabe des zentralen Nervensystems ist die Planung, Steuerung und Codierung von komplexen Bewegungsmustern, welche nicht automatisiert und gefestigt sind. Das periphere Nervensystem (PNS) steuert vorwiegend unsere Reflexe und automatisierte Bewegungsmuster. Das PNS besteht aus all jenen Nerven, die vom Gehirn abgehen. Wenn man sich das ZNS als Hauptstrasse vorstellt, dann bildet das PNS die kleinen Nebenstrassen, die abzweigen. Das PNS besteht ausschliesslich aus Nerven, den Spinalnerven und Hirnnerven und kann bezüglich der Funktion ins autonome und somatische Nervensystem eingeteilt werden. Das autonome Nervensystem reguliert die inneren Organe, während das somatische Nervensystem für die Steuerung der Skelettmuskulatur zuständig ist. So reagiert beispielsweise der Muskel, durch Kontraktion auf einen Nervenimpuls.

Nicht nur das Zusammenspiel der Sensorik und Motorik beeinflussen den Lernprozess, sondern auch die individuellen Voraussetzungen die deine Athlet/innen mitbringen.

Lernvoraussetzungen – was es ist und warum es für dich als Leiterperson wichtig ist

Die Lernvoraussetzungen verdeutlichen was deine Athletinnen und Athleten bereits wissen und können, welche Kompetenzen (Haltung, Motivation) sie bereits mitbringen und welche weiteren Einflüsse ihr Lernen allenfalls mit beeinflussen (Lernpotenzial). Man unterscheidet zwischen «individuellen» und «umfeldbezogenen» Lernvoraussetzungen.

Fahre mit der Maus über den Ausschnitt des Ausbildungsverständnisses der Leichtathletik und erfahre, welche Lernvoraussetzungen sich hinter den Begriffen verstecken:

Für dich als Leiterperson ist es hilfreich, im Vorfeld Annahmen zu treffen, welche Lernvoraussetzungen bei den erwarteten Teilnehmenden vorhanden sind. Die gemachten Annahmen erleichtern dir die Planung von Lerninhalten und helfen dir, die richtigen Methoden für deine Gruppe zu finden. Versuche, eine gute Balance zwischen Über- und Unterforderung zu finden. So erzielen deine Athletinnen und Athleten Lernerfolge und behalten die Freude am Training.

Nicht nur die individuellen Lernvoraussetzungen jeder Athletin/jedes Athleten beeinflussen die Methodenauswahl für deine Gruppe. Sondern auch die verschiedenen Wahrnehmungskanäle spielen dabei eine entscheidende Rolle. Nicht jeder Mensch lernt über die gleichen Wahrnehmungskanäle gleich gut. Die Lerntypen werden nach visuell, auditiv, kommunikativ, motorisch (kinästhetisch) unterschieden (Vester, 1998).

Blauer Hintergrund (Kein Bild)

Lernt mit Hilfe von Skizzen, Grafiken, Bildern, farblicher Kennzeichnung, Mindmaps

Blauer Hintergrund (Kein Bild)

Braucht den Austausch mit anderen, lernt durch Erklären und Erörtern, spricht nach, hört Podcasts

Blauer Hintergrund (Kein Bild)

Lernt wenn er etwas selbst macht, er braucht Bewegung beim Lernen, er muss etwas anfassen oder berühren können, sein Motto ist “learning by doing”

Blauer Hintergrund (Kein Bild)

Lernt vorwiegend durchs zuhören, kann sich gehörte Sachen gut merken und umsetzen

Generell gilt folgende Faustregel:: Man behält...

...20% von dem, was man hört. 30% von dem, was man sieht. 50% von dem, was man sieht und hört. 70% von dem, was man sieht, hört und darüber spricht. 90% von dem, was man sieht, hört, darüber spricht und selbst macht. (Decker, 1985)

Für dich als Leiterperson gilt:

  • Welche Lernvoraussetzung bringen deine Athletinnen und Athleten mit? Wenn du es nicht weisst, mach im Vorfeld Annahmen dazu und plane deine Lektion entsprechend.
  • Es gibt unterschiedliche Lerntypen, schenke diesen Beachtung.
  • Was man sieht, hört, darüber spricht und selbst macht, behält man am besten.

Prinzipien

Der Lernprozess deiner Teilnehmenden

Deine Aufgabe als Leiter/in ist es, deine Athlet/innen während dem Lernprozess bestmöglich zu beobachten, ihre Bewegungen zu beurteilen und nach ihrer Selbstreflexion deine Athlet/innen zielgerichtet zu beraten. Mehr Informationen zu diesem Thema findest du im Lernbaustein «richtig beobachten, beurteilen und beraten».

Für dich als Leiterperson wichtig:

  • Finde heraus, welche Lernvoraussetzung deine Athletinnen und Athleten mitbringen. Wenn du es nicht weisst, mach im Vorfeld Annahmen dazu und plane deine Lektion entsprechend. Alle brauchen ein lernförderliches respektvolles Klima aber nicht jede/r ist auf die gleiche Weise zum Lernen zu motivieren: bei einigen gelingt es durch Spielformen im Team, andere motivieren sich über Wettkampfformen oder möchten die Bewegung verstehen, andere challengen sich gerne selbst an Formen mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad.
  • Sprich die unterschiedlichen Sinneskanäle an: verwende Reihenbilder, lass eine Trainingsform von jemandem vorzeigen, statt sie nur mit Worten zu erklären, verwende Metaphern bei Rückmeldungen. Vertone einen geforderten Rhythmus mit einem Sprechgesang wie «jam-tadam» oder klatschen. Sprich die kinästhetischen und taktilen Sinne an, indem du Bewegungsabfolgen in Zeitlupe oder unter vereinfachten Bedingungen durchführen lässt.
  • Lass deine Athletin andere beobachten, diskutiere mit ihr über die Beobachtung und lass sie anschliessend die Übung selbst ausführen. Was man sieht, hört, darüber spricht und selbst macht, behält man am besten.
  • Beachte bei der Planung die unterschiedlichen Lerntypen. Lass den visuellen Lerntyp die Bewegung aufzeichnen oder sich vorstellen, den kommunikativen den Bewegungsablauf vorsprechen, den motorischen die Bewegung fünfmal hintereinander ausführen und gib dem auditiven ein klares mündliches Feedback.

Du kennst aus deinem Leiterkurs die Handlungsempfehlungen zum Vermitteln. Mit deinem neuen Wissen erkennst du, dass auch diese auf die unterschiedlichen Lerntypen und Lernvoraussetzungen sowie die verschiedenen Sinneskanäle abzielen. Geh die einzelnen Handlungsempfehlungen zum Vermitteln durch und überlege dir, wie du mit deren Hilfe den individuellen Voraussetzungen deiner Teilnehmenden noch besser gerecht wirst.

Lernförderliches Klima ermöglichen:

  • Wecke Begeisterung und gestalte dein Training spannend und abwechslungsreich.
  • Achte auf einen wertschätzenden Umgang innerhalb deiner Gruppe. Respektiere die Teilnehmenden und behandle sie gerecht. Lebe Werte wie Respekt, Höflichkeit und Anstand vor.
  • Ermögliche ein angstfreies Lernklima in deiner Gruppe.

Kinder und Jugendliche einbeziehen und Zugehörigkeit fördern:

  • Lass die Teilnehmenden mitreden, eigene Entscheidungen fällen und so Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Lass sie beispielsweise mitbestimmen, wie eine Übungs- oder Spielform angepasst wird.
  • Signalisiere Vertrauen und zeig dich Fehlertolerant.

Fehler nutzen - lösungsorientiert mit Misserfolgen umgehen:

  • Lobe die Teilnehmenden für ihren Versuch, auch wenn die Hochsprunglatte runterfällt oder die Hürde umfällt. Vermittle deinen Teilnehmenden ein Kompetenzgefühl. Anerkenne die positiven Aspekte der Bewegungsausführung.
  • Durch positive Reaktionen auf Fehler trauen sich die Athletinnen und Athleten, die Aufgabe zu wiederholen.

Hohe Lern- und Bewegungszeit ermöglichen:

  • Ermögliche mehrere Durchgänge mit derselben Aufgabe.
  • Bilde kleine Gruppen, damit immer alle im Einsatz sind. Bilde bei einer Stafette Dreier- anstatt Sechserteams.
  • Gib kurze und klare Anweisungen und integriere zeitsparende Rituale.
  • Achte darauf, dass das Material bereits steht und es in der Lektion mehrfach verwendet wird.
  • Gib Zusatzaufgaben, für jene die gerade nicht an der Reihe sind.

Herausfordernde Aufgaben stellen und fachlich korrekt anleiten:

  • Sorge durch Variation für Abwechslung. Kleine Anpassungen machen die gleichen Trainingsformen wieder neu und spannend.
  • Schaffe motivierende und herausfordernde Lernsituationen.
  • Lass die Teilnehmenden beidseitig üben: Statt immer nur mit rechts, sollen sie auch mit links abspringen oder werfen.
  • Lass sie Gegensatzerfahrungen erleben: Sprinte wie ein Elefant oder wie eine Gazelle. So entdecken sie selbst die effizientere Variante und nehmen die Bewegung bewusster wahr.
  • Fördere die Bewegungsvorstellung mit Demonstrationen, Metaphern oder anderen Bildern.

Zeitnahe, zielorientierte und konstruktive Rückmeldungen geben:

  • Gib rechtzeitig und möglichst unmittelbar Rückmeldungen.
  • Nutze fragendes Feedback und fördere damit die Eigenwahrnehmung deiner Athletinnen und Athleten.
  • Verknüpfe Bewegungen mit Metaphern und lass deine Teilnehmenden eine Bewegungsvorstellung aufbauen.
  • Fördere die Selbstwahrnehmung. Lass die Teilnehmenden beispielsweise schätzen wie viele Sprünge sie für eine vorgegebene Distanz benötigen.

Vielseitige Lernarrangements planen und umsetzen:

  • Lass deine Athletinnen und Athleten wahrgenommenes mit bekanntem verknüpfen.
  • Lass deine Teilnehmenden mehrere Bälle nacheinander werfen und die Würfe vergleichen.
  • Nutze Bewegungsverwandtschaften.

Individuelle und gemeinsame Erfolgserlebnisse ermöglichen:

  • Lass eine Athletin die Übung über Hindernisse vorzeigen, die sie besonders gut kann.
  • Passe die Hürdenhöhe individuell an und erschwere/erleichtere die Übung damit, dass sie für alle zu bewältigen ist.

Vertiefe dein Wissen zum Handlungsfeld "Vermitteln" und den dazugehörigen Handlungsempfehlungen im Lernbaustein Vermitteln.

Good Practice

Die Lernprinzipien sind bewährte Methoden, die deinen Teilnehmenden einen erfolgreichen Lernprozess ermöglichen. Auch sie sprechen gezielt die individuellen Lernvoraussetzungen, die unterschiedlichen Lerntypen sowie verschiedene Sinneskanäle an. Nachfolgend erhältst du einen Überblick über bereits bekannte Lernprinzipien und lernst, wie du diese sinnvoll mit den individuellen Voraussetzungen deiner Teilnehmenden verknüpfst.

Stufengerechtes Niveau und Herausforderungen schaffen

Symbol: durch Linien verbundene Kugeln

Effiziente Organisationsformen

Symbol: Treppenstufen

Aufbauende Trainingsformen

Symbol: Eine Waage aus dem Gleichgewicht

Erleichtern und Erschweren

Symbol: Verschieden eingestellte Regler

Variieren und Kombinieren

Symbol: zwei Füsse parallel

Beidseitigkeit

Erzwingen, unterstützen und bildlich erklären

Symbol: Eine Schraubzwinge

Zwingende Übungsformen kreieren

Symbol: Sinnbild einer Landschaft

Metaphern

Symbol: Ein Schraubschlüssel und ein Zahnrad

Lernhilfen

Spiel-, Wettkampf- und Sozialformen

Symbol: Schwingen am Seil

Spiel-Leichtathletik

Symbol: ein Podest

Wettkampfformen

Symbol: eine Gruppe

Sozialformen

Reflexion

Halte dir deine Trainingsgruppe vor Augen. Welche Lerntypen sind in deiner Gruppe vertreten? Wie wirst du ihnen mit deinen geplanten Aktivitäten gerecht?

Welche Lernprinzipien wendest du in deinem Unterricht (bewusst) an, welche (noch) nicht?

Quiz

Los geht's! Quiz starten und Wissen checken.

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Transfer

  • Überleg dir für dein nächstes Training, welche Lernprinzipien du ganz bewusst verändern oder anwenden wirst.
  • Stell Überlegungen an, wie du allen Lerntypen in deiner Gruppe gerecht werden kannst. Notiere deine Ideen.
  • Hast du das Kartenset vermitteln? Schau dir an, welche Karte kannst du mit deinen Erkenntnissen aus diesem Lernbaustein nutzen und gegebenenfalls erneut in den Fokus deiner Trainings stellen. Nimm dir maximal drei Karten aus dem Set und stecke sie in deine Trainingstasche, um die in den kommenden Trainings besonders zu beachten.

Quiz

Löse die Quizaufgaben und überprüfe am Schluss deine Ergebnisse.