Rhythmus gestalten

Intro

Karate mit der bestmöglichen Perfektion auszuführen, bedeutet, Kampf und Kunst in Harmonie zu vereinen. Die Vervollkommnung der Qualität äussert sich im Rhythmus.

In diesem Lernbaustein lernst du, Bewegungshandlungen rhythmisch zu gestalten und gezielt die Vernetzungen zwischen technischen, taktischen oder athletischen Entwicklungsschritten zu optimieren. Du erhältst Hintergrundinformationen, die sowohl für Kata wie auch für Kumite relevant sind. Die Übungsbeispiele sind jedoch vorwiegend auf Kumite ausgerichtet.

Basics

Artefakt

Es gibt viele Möglichkeiten, rhythmische Akzente zu setzen und so eine Kata zu interpretieren. Das Gegenstück zur Kata bildet das Kumite (Zweikampf): Die Reaktionsfähigkeit entfaltet sich in einer Partnerübung ökonomischer, wenn man in der Lage ist, den eigenen Bewegungsrhythmus und den des Gegenübers in Beziehung zueinander zu bringen. Zwei Karateka treten miteinander in Kontakt und werden wechselseitig zur Umwelt füreinander. Sie wirken gegenseitig aufeinander ein und bilden zusammen ein neues System mit gekoppelten emotionalen, mentalen und körperlichen Zuständen.

Das Wesentliche von Bewegungen zu erfassen, bedeutet, sich mit ihrer Struktur auseinanderzusetzen. Die Form ist eine äussere Betrachtung der Handlung und sagt über die Bewegungskoordination und Wahrnehmung nur beschränkt etwas aus. Karate ist eine fliessende, ganzheitliche Vernetzung von mehreren Bewegungsfertigkeiten. Die Gestaltung einer Kata oder einer Kumite-Situation ist eine Verbindung aus mehrheitlich azyklischen Bewegungen. Das Bewegungsziel (Trefferpunkte) wird durch einzelne Aktionen erreicht. Diese lassen sich in verschiedene Bewegungselemente (Qualitätsmerkmale, Bewegungsabschnitte, Phasen) einteilen, die für das Gelingen der Handlung eine unverzichtbare Funktion übernehmen (z.B. Startimpuls, Stellungswechsel, Hüfteinsatz, Kraftübertragung, Rotationsbewegungen, etc.). Der Rhythmus bildet die zeitliche Struktur all dieser Elemente. Die Verbesserung der Rhythmisierungsfähigkeit schafft die Voraussetzung, technische, taktische, athletische und psychische Entwicklungsfaktoren wirkungsvoll miteinander zu vernetzen.

Bewegungsstruktur

Der Begriff «Rhythmus» hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet eigentlich «das Fliessende, das immer Wiederkehrende». Die periodische Wiederkehr der Jahreszeiten oder der Herzschlag lassen uns das Fortschreiten der Zeit erkennen und erleben. Im Karate hilft uns die Rhythmisierungsfähigkeit, Bewegungshandlungen zu gestalten, die sich durch eine detailbewusste Stimmigkeit auszeichnen: Ein Gleichgewicht zwischen ästhetisch-harmonischer Ausführungsqualität und optimal dosiertem Krafteinsatz.

Der Rhythmus gestaltet die Zeit im Raum. Um den Karateka die verschiedenen Möglichkeiten der rhythmischen Gestaltung einer Kata vermitteln zu können, ist es hilfreich, eine geeignete Stimmung zu schaffen. Dabei stützen wir uns auf Aspekte wie Intonation der Stimme, Atmung, Dynamik der Bewegungen, Dosierung von Spannung und Entspannung oder die mentale Einstimmung. Der Einsatz von Musik ist auch eine Möglichkeit, sollte aber mit Bedacht benutzt werden, da sonst das Training oberflächlich wird. Wird bei der Kata die Interpretationsfähigkeit geschult, so ist es beim Kumite sowohl die Antizipations- als auch die Interpretationsfähigkeit. Methodisch kann der Rhythmus zur Optimierung folgender Lernprozesse eingesetzt werden:

  • Zeitpunkt des Impulsbeginns spüren
  • zeitliche Länge einer Aktion wahrnehmen
  • dynamische Intensität einer Handlung realisieren
  • Spannung und Entspannung gestalten
  • inter- und intramuskulären Koordination optimieren
  • Bewegungen mit der Atmung synchronisieren
  • Sich auf die Grundspannung und das Verhalten des Gegenübers kalibrieren

Rhythmus eignet sich zur Optimierung einiger Lernprozesse. Überlege dir, bei welchen du ihn einsetzen würdest.

- Zeitpunkt des Impulsbeginns
- Zeitliche Länge einer Aktion
- Dynamische Intensität einer Handlung
- Gestaltung von Spannung und Entspannung
- Synchronisierung mit der Atmung
- Optimierung der inter- und intramuskulären Koordination

Prinzipien

Die folgenden Prinzipien helfen, wesentliche Entwicklungsschritte im Karatetraining auszulösen. Es handelt sich um Informationen, die den Trainingsprozess optimieren. Sie sind als Empfehlungen zu verstehen und beleuchten Hintergrundwissen zur Rhythmisierungsfähigkeit.

Artefakt

Fokus: Taktik entwickeln

Gleichbleibende, rhythmische Bewegungen können einen positiven Effekt auf die Psyche ausüben. Deshalb ist es hilfreich, nach taktischen Manövern oder ausgeführten Aktionen wieder auf eine lange Distanz zu gehen und in den Grundrhythmus zurückzukehren. Rhythmische Akzente in Bezug auf die Fussarbeit, das Kampfverhalten, Finten, die Handlungsreaktionen oder die Nutzung der Wettkampffläche werden nach taktischen Kriterien gestaltet. In jeder Handlung lassen sich viele rhythmische Variationen entdecken.

Angriffe aus ruhigem Grundrhythmus der Fussarbeit
Angriffe aus mittlerem Grundrhythmus der Fussarbeit
Angriffe aus starkem Grundrhythmus der Fussarbeit

Fokus: In die Situation einfühlen

Verständnis und Gespür für den eigenen Bewegungsfluss und den des Gegenübers fördern. Abläufe zu kombinieren oder Timing und Rhythmen zu variieren, bedingen ein ständiges Suchen und Anpassen. Methodisch geht es darum, Karateka die Gestaltungsmöglichkeiten von Bewegungen selbst entdecken zu lassen. So lernen sie, den Körper als Instrument wahrzunehmen, mit dem sie sich wirksam darstellen können.

Fokus: Handlungen antizipieren

Das Vorwegnehmen oder sogar aktive Kreieren einer Situation ist nicht in erster Linie ein vorausschauendes Denken, sondern eher ein intuitives Vorausfühlen. Aktionen des Gegenübers lassen sich gefühlsmässig vorwegnehmen. Der Rhythmus bietet die Struktur, die als Orientierung für eine angepasste Reaktion dienen kann.

Fokus: Entscheidungen fällen

Der kreative Prozess, der während der Gestaltung eines Kampfes geschieht, vollzieht sich zu einem wesentlichen Teil auf der Ebene des Unbewussten. In diesem Sinne lautet die Grundannahme: Kreativität gründet in der Verschmelzung von Intuition und Vernunft. In den asiatischen Kampfkünsten gilt die Vorstellung, dass ein gewisses Mass an innerer Ruhe die Voraussetzung für diese Verschmelzung ist – aus ihr entsteht das Entwickeln von kreativen Problemlösungen. Deshalb legt die überlieferte Methodik Wert auf ein rhythmisches Wechselspiel von Ruhe und Bewegung.

Fokus: Kampf gestalten

Dank der Rhythmisierungsfähigkeit können wir uns einfacher an verschiedene Situationen anpassen. Das Entwickeln von taktischen Handlungen erweitert das Repertoire der Anwendungsmöglichkeiten. Dazu gehören das allgemeine Verhalten während des Kampfs (Kampfverhalten; Druck erzeugen oder absorbieren; aktives oder passives Verhalten, Finten usw.), die Gestaltung des Raumes (Kampffläche; annähern, ausweichen; Raum schliessen, öffnen usw.), die eigentlichen Kampfaktionen zur Erzielung von Punkten (angreifen, verteidigen) und das rhythmische Gestalten eines Kampfes (synchronisieren, stören, führen, anpassen).

Good Practice

Karate ist eine komplexe Sportart und kann mit seinem philosophischen Hintergrund als Körperkunst bezeichnet werden. Das Ausbildungsverständnis von Jugend+Sport eröffnet uns einen Weg, um uns mit der Vielfalt von Methoden und Trainingsformen strukturiert auseinanderzusetzen.

Damit deine Karateka stufengerecht und effizient Lernfortschritte erzielen, ist es entscheidend, wie du die technischen Inhalte vermittelst. Im J+S Leiterkurs lernst du dies anhand von konkreten Praxisbeispielen für den Schlüsselbereich Foundation (FTEM). Karate lernen bedeutet auch, die Bewegungskoordination und die Wahrnehmung auszubilden. Nicht jede Trainingsform ist für jedes Alter geeignet. Folgende Trainingsmöglichkeiten dienen dir als allgemeine Orientierung:

  • Sportartübergreifendes Hüpftraining mit Koordinationsgitter
  • «Rhythmische Gestaltungsvarianten verbalisieren» als Methode des Vermittelns
  • Rhythmisches Bewegen in der Kampfstellung (verschiedene Distanzen und Frequenzen) - Hinweise Manual, Good Practice
  • Rhythmus übernehmen, Rhythmus des Gegenübers stören
  • Rhythmisches Bewegen mit dem Üben der verschiedenen Annäherungs- und Ausweichschritte kombinieren
  • Rhythmische Bewegungen als Täuschungen einsetzen
  • Rhythmische Variationen von Angriffs- oder Verteidigungskombinationen erarbeiten

Auch erfährts du, wie du die verschiedenen Trainingsmöglichkeiten miteinander vernetzt und wie du sie im Schlüsselbereich Foundation stufengerecht in deinem Unterricht anwendest.

Reflexion

  • Welche Erkenntnisse hast du beim Erarbeiten dieses Lernbausteins gewonnen?
  • Wie kann der Rhythmus als Hilfsmittel eingesetzt werden, um den Lernprozess zu verbessern?
  • Inwiefern (praktische Beispiele) lassen sich die Konzentrationsfähigkeit durch «Lernen durch Rhythmus» qualitativ verbessern?

Quiz

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Transfer

Überlege dir, wie du deine Trainings aufgrund deiner Erkenntnisse anpasst. Notier dir jeweils zwei oder drei konkrete Übungen, die du in der Einleitung, im Hauptteil und für den Ausklang einsetzen kannst.

Vergiss nicht, nach dem Training diese Übungen und ihre Wirkung zu reflektieren. Hierbei helfen dir folgende Leitfragen:

  • Wie ist es dir gelungen, Bewegungsaufgaben zu stellen, welche die Kinder und Jugendlichen motivieren und die Bewegungsqualität fördern?
  • Welche Übungen haben gut funktioniert und welche waren eher weniger geeignet?
  • Welche Lernfortschritte und Umsetzungsschwierigkeiten hast du beobachtet?
  • Konntest du stufengerechte Anpassungen der Übungen vornehmen?
  • Wie könnte die Trainingsidee effizienter umgesetzt werden?
  • Wie möchtest du den Trainingsprozess in den kommenden Trainings fortsetzen?

Quiz

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